Con Certo Jazz
(Vrec Music Label – 10/2020)
Jazz?
Nach einigen Zusammentreffen mit Musikerkollegen ertappte ich mich dabei, wie ich darüber nachdachte, was Jazz wirklich sei … und inwieweit Ausflüge in den Jazz von Genres wie Rock, Weltmusik oder sogar Pop glaubwürdig seien.
Selbst wenn ich zwei diametral entgegengesetzte Musiker nehme, ihre unterschiedliche Kultur und technischen Fertigkeiten berücksichtige, denke ich, dass Jimmy Hendrix’ Geisteshaltung nicht so weit von Miles Davis’ Geisteshaltung entfernt war … Ihnen war eine Vision gemeinsam, die sie durch den großen gegenseitigen Respekt bezeugten. Eine geplante Zusammenarbeit scheiterte aus rein finanziellen Gründen.
Ich habe schon immer daran geglaubt, dass jegliche gute Musik einem einzigen großen Genre angehört. Das, was sie unterscheidet, ist lediglich die Sprache, mit der sie beim Hörer ankommt, der sie entsprechend seinen emotionalen Bedürfnissen und seiner Kultur einordnet.
Auch wenn ich mich nicht als Jazzmusiker betrachte, halte ich die Einflüsse anderer, wunderbarer „klassischer“ Musikwelten auf meine Musik (die ich ungerne in eine Schulblade stecke) für sehr wichtig, wenn nicht gar notwendig. Darunter auf jeden Fall der Jazz – in meinem Live-Album markiert durch den Beitrag wunderbarer Musiker, die diese Sprache im Gegensatz zu mir regelmäßig benutzen und beherrschen. Ein großer, geradezu erlösender Effekt für mich! Denn meine Musik „mit einem gewissen Jazz“ (Con Certo Jazz), zu vermengen, hat mir das Wunder zurückgegeben, auf die Bühne zu gehen, ohne zu wissen, was passieren wird.
Als Jazzmusiker hingegen braucht man eine große geistige Offenheit sowie die Fähigkeit und Bereitschaft, sich ganz einzubringen, um sich auf das Genre der Singer/Songwriter einzulassen. Um es zu verändern. Etwas Neues entstehen zu lassen.
„Con Certo Jazz“ erforscht die Möglichkeiten der Dekonstruktion. In diesem Sinne haben das Saxophon von Riccardo Sala und das Akkordeon von Fausto Beccalossi grundlegend zur einer frischen Lektüre und Herangehensweise an meine Songs beigetragen. Der Raum für Improvisationen war weit und völlig frei und, was meine Live-Performance betrifft, völlig neu.
Die Aufnahmen und der Albumtitel
Der passende Anlass für die Aufnahme fand sich dank einer Einladung von Pippo Pollina zu seinem schönen Festival der italienischen Musik „La Grande Bellezza“ im Millers Theater in Zürich. Wir nahmen das mobile Studio „Imagina“ von Alessandro Ciolas (u.a. Co-Produzent des Albums) mit nach Zürich und zeichneten den ganzen Abend auf.
Vier Tage später, im Pavarotti-Theater in Leini, Turin, hatten wir das Glück, mit Fausto Beccalossi am Akkordeon aufzutreten – am Abend im Millers war er verhindert, da bei Al Di Meola engagiert. Danach beschlossen wir begeistert, die Aufnahme von Zürich zu erweitern und ihr eine Klangfarbe hinzuzufügen, die sich als grundlegend für das Soundpanorama des Albums erweisen sollte.
Es waren zwei wunderbare Abende. Der Auftritt, die Improvisationen – das Publikum war schier begeistert!
Als David Bonato, beim Plattenlabel verantwortlich für die PR des Albums, vorschlug, das Album „Jazz Concert” zu nennen, dachte ich, dass das ja nicht stimme, aber dass auf dem Album auf jeden Fall … Jazz zu hören sei. Ein gewisser Jazz, ganz sicher.
Deshalb fand ich es witzig, die anfängliche Idee zu verballhornen und sie mit „Con Certo Jazz“ in einen ironischeren und weniger ernsthaften Titel zu verwandeln (im Italienischen ein Wortspiel zwischen „Jazzkonzert“ und „Mit einem gewissen Jazz“).
Ein weiteres, wichtiges Anliegen war mir, mit dem europäischen Geist des Albums meinen tiefen Glauben an Europa zu unterstreichen … Das gab mir die Idee zu einem Untertitel, der mir genauso wichtig ist wie der Titel selbst: „Live From The Heart Of Europe”. Unbedingt, aus einem europäischen Herzen …
Warum ein Live-Album im Jahr 2020?
Jedes Mal, wenn sich die Wege der Musiker, mit denen ich zusammenarbeite, kreuzen, entsteht in mir der Wunsch, diesen glücklichen – und naturgemäß unwiederholbaren – Moment in der Aufnahme eines Live-Albums zu kristallisieren … Genauso wie ich mich jedes Mal frage, ob das wirklich nötig sei …
In Wahrheit stellt sich mir diese Frage auch jedes Mal, wenn ich daran denke, ein Album mit neuen, unveröffentlichten Liedern in Angriff zu nehmen. Denn der immense Aufwand, der für das Schreiben, die Umsetzung und die Produktion eines neuen Albums erforderlich ist, ist wesentlich höher, als die Chance, damit die Ohren eines geneigten Publikums zu erreichen.
Dennoch hege ich große Zuversicht, dass es immer noch eine ausreichende Zahl von Musikbegeisterten gibt und ich es wagen kann, neue Stränge in das Gewebe der aktuellen Musik einzuweben. Denn ich merke, dass die Kraft, mich auf ein neues Abenteuer dieses Kalibers einzulassen und zu sagen, „ja, warum eigentlich nicht?“, direkt von der kleinen, aber hingebungsvollen Gruppe von Musikbegeisterten kommt, die meine Arbeit verfolgen.
Ihnen bin ich es schuldig, dass sie gewiss sein können, dass ich stets mein Bestes geben werde, um die beste Musik zu veröffentlichen, die ich erschaffen kann.
TRACKS
L’innocenza di Giuda
La cultura
Credo
Ultima cena
Il maestro
Sirena
Maria
La fidanzata
Partir
Revoluciòn
Martina
Camera con vista
Martina
Partir